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Glaubhaftigkeitsgutachten

bei Vergewaltigungen und sexuellem Missbrauch von Kindern

 

Was ist ein Glaubhaftigkeitsgutachten?

Glaubhaftigkeitsgutachten sind ein wesentliches Element bei Sexualdelikten. Es ist also in einer Aussage-gegen-Aussage-Konstellation neben der belastenden Aussage ein zusätzliches Beweismittel. Ein Glaubhaftigkeitsgutachten wird in Vergewaltigungsverfahren oder bei sexuellem Missbrauch von Kindern zur Beurteilung der Fragestellung, ob eine belastende Aussage erlebnisbasiert ist oder nicht, eingeholt. Es dreht sich hier also nicht um Fragestellungen der Zeugin, sondern ausschließlich um die Aussage. Mit der Erstattung eines derartigen Gutachtens wird ein Psychologe beauftragt. Nahezu gängiger Standard bei Staatsanwaltschaften und Gerichten ist es mittlerweile, Psychologen mit diesem Gutachten zu beauftragen, die entweder Rechtspsychologie studiert oder sich zum Rechtspsychologen fortgebildet haben.

Wann werden Glaubhaftigkeitsgutachten eingeholt?

Glaubhaftigkeitsgutachten sind in fast jedem Verfahren, bei dem es um sexuellen Missbrauch von Kindern geht, Standard. In der Regel wird bereits von der Staatsanwaltschaft im Ermittlungsverfahren ein Glaubhaftigkeitsgutachten eingeholt. Die Einholung eines Glaubhaftigkeitsgutachtens hat jedoch nicht nur bei Sexualstrafverfahren mit kindlichen Opferzeugen Erfolg, sondern ist auch bei Vergewaltigungen geboten, wenn Auffälligkeiten in der Persönlichkeit des Zeugen, der Zeugin vorliegen, sodass das Gericht die Erlebnisbasiertheit der Aussage nicht selbst beurteilen kann.

Möglichkeiten der Einflussnahme auf die Gutachterauswahl

Sollte das Ergebnis des Gutachtens sein, dass der vermeintliche Zeuge, die vermeintliche Zeugin das behauptete Tatgeschehen erlebt hat, gilt dies vor Gericht als Beweismittel, d. h. die Verteidigung wird sich danach ausrichten, das Gutachten auszuhebeln.

Oftmals ist es aber nicht eine Frage des Sachverhalts, sondern eine Frage des Gutachters, zu welchem Ergebnis man gelangt. Es muss mithin vordringliches Ziel der Verteidigung sein, in den Fällen, in denen mit einer Begutachtung zu rechnen ist, rechtzeitig alle strafprozessualen Maßnahmen zu nutzen, um auf die Auswahl des Gutachters Einfluss zu nehmen. Ist die Anhörung der Verteidigung im Gerichtsverfahren ein gesetzliches Muss, so gilt dies nicht für das Ermittlungsverfahren. Aber auch hier gibt es ausreichende Hebel, eine Beteiligung der Verteidigung an der Auswahl des Gutachters zu erreichen.

Verteidigung gegen ein Glaubhaftigkeitsgutachten

Zunächst legt der Gutachter ein schriftliches, vorbereitendes Gutachten vor. Ausschlaggebend ist jedoch das Gutachten, das er später mündlich in der Haupthandlung erstattet. Kommt der Gutachter in dem vorbereitenden Gutachten zu dem Ergebnis, die belastende Aussage wäre wahr (erlebnisbasiert), hat sich die Verteidigung für den tatsächlich unschuldigen Mandanten auf die Erschütterung des Gutachtens zu konzentrieren.

Die Vorstellung, der Gutachter würde von seinem bereits vorbereiteten Gutachten abweichen, ist so wahrscheinlich wie die Vorstellung, der alte räudige Hund würde seinen letzten Knochen freiwillig abgeben. Zwar gibt es Kollegen, die behaupten, auch dies geschafft zu haben, größere Chancen bestehen jedoch darin, das Gericht davon zu überzeugen, dass der Gutachter von falschen Tatsachen ausgeht.

Es ist zum Teil als Verteidigungsstrategie zu lesen, die Reputation des Gutachters, dessen fachliche Qualifikation, wäre anzugreifen. Die sind nette Ideen, in den meisten Fällen jedoch ein stumpfes Schwert. Von wenigen Ausnahmen abgesehen, werden heutzutage nur noch Gutachter bestellt, die entsprechend fachlich qualifiziert sind.

Ich möchte hiermit nicht sagen, dass die Verteidigung gegen ein Gutachten unmöglich sei. Der Ansatzpunkt ist, ob das Gutachten methodisch sauber ist. Fragestellung bei der Verteidigung gegen ein Gutachten ist, ob dieses Gutachten entsprechend den wissenschaftlichen Standards der Glaubhaftigkeitsbegutachtung erstellt worden ist, sprich ist bei der Erstellung des Gutachtens die vorgeschriebene wissenschaftliche Methodik eingehalten worden?

Bedeutung der Hypothesenbildung im Gutachten

Dreh- und Angelpunkt ist bei den meisten Gutachten die sogenannte Hypothesenbildung. Dies meint, der Gutachter hat Hypothesen zu bilden, mit denen sich die belastende Aussage erklären lässt, auch wenn sie nicht wahr ist. Können diese Hypothesen widerlegt werden, gilt nach heutigem Stand im Umkehrschluss die Aussage als erlebnisbasiert. Die Möglichkeiten der Hypothesen sind mannigfaltig. Die Lügenhypothese wird jedem direkt einfallen. Bei der Irrtumshypothese sei es durch Autosuggestion, sprich Selbstbeeinflussung, Übertragung einer tatsächlichen Erinnerung auf eine andere Person oder der sogenannten Schein-Erinnerung wird es für den Laien schwieriger.

Den richtigen Umgang mit der Hypothesenbildung zu erkennen und ein sicheres Beherrschen der Methodik für Glaubhaftigkeitsgutachten, ist ein Muss für einen Verteidiger im Sexualstrafrecht. Nicht selten hat auch das Gespräch mit dem Mandanten oder Angehörigen noch Hypothesen zutage gebracht, an die der Gutachter gar nicht dachte. Sind methodische Mängel aufgedeckt, so ist der Weg für einen Freispruch, oder wenigstens für ein weiteres Gutachten offen.

Selbst wenn das vorbereitende Gutachten möglicherweise auf den ersten Blick keine Mängel erkennen lässt, so lassen sich Mängel in der Hauptverhandlung oftmals noch herausarbeiten. Möglich ist so, bei sexuellem Missbrauch von Kindern oder Vergewaltigung, auch bei Vorliegen eines belastenden Gutachtens noch einen Freispruch zu erreichen.

 

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