Dieter Axmann
Fachanwalt & Strafverteidiger
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Das Landgericht Köln hatte bei einer heroinabhängigen Frau, die wegen Drogenschmuggels verurteilt wurde, die Unterbringung zum Drogenentzug in einer Entziehungsanstalt abgelehnt und dies mit ihren schlechten Deutschkenntnissen begründet. Der BGH hob diesen Teil des Urteilsspruchs aufgrund der Revision auf. Auch andere BGH-Entscheidungen zeigen, dass Strafrichter die Möglichkeit einer Drogentherapie im Maßregelvollzug selbst bei beschränkten Sprachkenntnissen genau prüfen müssen.
Der Strafverteidiger einer portugiesischen Staatsbürgerin hatte Revisionsantrag gestellt, nachdem das Landgericht Köln sie zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und sechs Monaten verurteilt hatte. Sie war der Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge (§ 30a BtmG) in Tateinheit mit Beihilfe zum Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge (§ 29a BtmG) schuldig gesprochen worden.
Der BGH war sowohl mit dem Strafmaß wie mit den Straftatbeständen einverstanden. Darin, dass das Landgericht von einer Unterbringung der Frau in einer Entziehungsanstalt abgesehen hatte, sah er jedoch einen Rechtsfehler. Der § 64 Strafgesetzbuch sieht als sogenannte Soll-Vorschrift die Unterbringung zur Drogen- oder Alkoholtherapie im Rahmen des Maßregelvollzugs vor, wenn die erforderlichen Voraussetzungen vorliegen: Die Tat muss direkt mit einem Hang des oder der Angeklagten zum Drogen- oder Alkoholmissbrauch zusammenhängen, es sind bei Nichtbehandlung dieses Hanges weiter Straftaten zu erwarten, die Therapie muss konkrete Erfolgsaussichten zur Heilung des Hanges bieten. Die Portugiesin nahm seit ihrem 16. Lebensjahr Heroin, stellte den Heroinkonsum später trotz Substituierung mit Methadon nicht ein und wollte fast zwei Kilogramm Kokain über die deutsch-niederländische Grenze schmuggeln, um ihre Drogensucht zu finanzieren.
Die drogenabhängige Angeklagte sprach neben Portugiesisch auch Englisch und Spanisch, aber kaum Deutsch. In der Untersuchungshaft erhielt sie zwar Sprachunterricht, kam aber nicht über rudimentäre Deutschkenntnisse hinaus. Die Vorinstanz hatte sich dem sachverständigen Gutachter angeschlossen, der darin ein Hindernis für die erfolgreiche Behandlung der Drogensucht sah. Zudem sei selbst nach einer erfolgreichen Therapie keine Adaptionsbehandlung möglich, weil die Frau nach der Haft nach Portugal zurückkehren wolle und erfahrungsgemäß dorthin ohnehin abgeschoben werde.
Der zweite Strafsenat des BGH fand für diese Begründung deutliche Worte: „Das Absehen von der Maßregelanordnung nach § 64 StGB erweist sich als durchgreifend rechtsfehlerhaft.“ Es sei gefestigte Rechtsprechung, „dass die Sprachunkundigkeit eines Ausländers nicht ohne Weiteres allein Grund für einen Verzicht auf seine Unterbringung sein kann“. Das Landgericht Köln hätte deshalb prüfen müssen, ob in Nordrhein-Westfalen Drogentherapie im Maßregelvollzug auch in Englisch oder Spanisch möglich ist und ob die Angeklagte dafür infrage kam.
Auch das Argument, eine Adaptionsbehandlung nach stationärer Drogentherapie sei nicht möglich, weil die Angeklagte wieder nach Portugal zurückkehren wolle, überzeugte den BGH nicht. Er bemängelte, dass der Sachverständige sich hierbei nur auf „praktische Gründe“ berufen habe, ohne seine Belege genauer auszuführen. Die Kammer habe auch nicht festgestellt, dass die Angeklagte vollziehbar ausreisepflichtig und deshalb die Abschiebung sicher zu erwarten sei. Die Frage der Unterbringung wurde zur Neuverhandlung an das LG Köln zurückverwiesen, unter Einbindung eines anderen Sachverständigen.
Der vierte Strafsenat des BGH hat vor Kurzem in einem anderen Fall klargemacht, dass bei mangelhaften Sprachkenntnissen auch umgekehrt eine Therapieanordnung genau begründet werden muss. In diesem Fall hatte ein Mann rund viereinhalb Kilogramm Marihuana von Tschechien nach Deutschland geschmuggelt und war erwischt worden. Er wurde vom Landgericht Weiden wegen unerlaubter Einfuhr von Betäubungsmitteln in Tateinheit mit unerlaubtem Handeltreiben mit Betäubungsmitteln, jeweils in nicht geringer Menge, zu fünf Jahren und sechs Monaten Freiheitsstrafe verurteilt. Der Täter konsumierte seit Jahren erhebliche Mengen an Alkohol und Kokain und wollte mit dem Erlös aus dem Marihuana-Schmuggel seine Sucht finanzieren. Deshalb enthielt das Urteil die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt gemäß § 64 StGB.
Der vierte Strafsenat hob in der Revision neben dem Schuldspruch und dem Strafmaß auch die Anordnung der Drogen- und Alkoholtherapie auf. Das Landgericht hatte sich in Bezug auf die mangelnden Deutschkenntnisse des Angeklagten auf die Feststellung beschränkt, die „noch bestehende Sprachbarriere könne während der Therapie abgebaut werden“. Das genügte den Richtern am BGH nicht. Die Vorinstanz hätte diese Aussage vielmehr „tatsachenfundiert anhand der Person des Angeklagten“ belegen müssen (13. April 2021 - 4 StR 506/20).
Grundsätzlich können Strafgerichte Deutschkenntnisse bei Straftätern mit einem Hang zum Alkohol- und Drogenmissbrauch nicht einfach zur unabdingbaren Voraussetzung für eine Entzugstherapie machen. Das hat der erste Strafsenat des BGH in einem Revisionsbeschluss im Jahr 2018 bekräftigt. Das Landgericht Würzburg hatte eine schwer metamphetaminabhängige tschechische Täterin wegen Diebstahls und Sachbeschädigung in zwölf Fällen sowie wegen unerlaubtem Besitz von Betäubungsmitteln zu fünf Jahren und sechs Monaten Freiheitsstrafe verurteilt. Sie war regelmäßig nach Deutschland eingereist, um hier Einbruchdiebstähle zu begehen.
Das Landgericht Würzburg hatte die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt abgelehnt, weil es keinen sicheren Beleg für den Zusammenhang zwischen der Sucht und den Einbrüchen sah: Die Frau habe seit Jahren ihren Lebensunterhalt durch Einbrüche finanziert. Außerdem sah das Gericht aufgrund der Sprachbarrieren keine Erfolgsaussichten. Beide Punkte wurden vom BGH korrigiert: Es genüge, wenn der Hang zu den Drogen mit beigetragen habe zu den Straftaten, weil der Erlös auch zur Beschaffung diente. Außerdem hätte sich die Strafkammer näher mit den mangelnden Deutschkenntnissen der Angeklagten als Hindernis für eine Maßregeltherapie auseinandersetzen müssen. Bei weitgehender deutschunkundigen Tätern lägen mangelnde Erfolgsaussichten zwar nahe. Grundkenntnisse der deutschen Sprache genügten jedoch. Das Nicht-Anordnen einer Maßregeltherapie wegen fehlender Sprachkenntnisse muss in der Urteilsbegründung genauer begründet werden (BGH, 13. Juni 2018 – 1 StR 132/18).
Dieter Axmann ist Strafverteidiger und Fachanwalt für Strafrecht aus Dortmund. Er hat schon Hunderte von Mandanten in BtMG-Strafverfahren vertreten und verfügt über große Erfahrung in der Strafverteidigung bei Drogendelikten.